2004-12-08

Bundeskanzler Schröder erhält einen Einblick in das andere China. Schröder eröffnet VW-Werk im Norden des Landes: Zum Abschluss seiner sechsten China-Reise war Schröder zu der Feier in die Region im Nordosten Chinas gekommen, wo in den Bergen noch wilde mandschurische Tiger herumstreifen.
Bei der Fahrt über die schnurgeraden Boulevards durch die Vororte der 7-Millionen-Stadt erlebte der Kanzler dann ein Kontrastprogramm. Heruntergekommene Fassaden, spärlich beleuchtete Häuser, in der Kälte dick verpackte Einwohner, die teilnahmslos der Kolonne zuschauten, streng überwacht von vielen Polizeiposten. Ähnlich wie in weiten Teilen von Changchun sieht es in anderen Städten der ganzen Region mit ihren 110 Millionen Einwohnern aus. Die drei Provinzen im "Rostgürtel" Chinas, die an die mongolische Steppe, Russlands Fernen Osten und Nordkorea grenzen, werden von einer Schneise verlassener Fabriken durchzogen.

Die einstige Wiege der kommunistischen Industrialisierung nach 1949 ist zum schweren Sanierungsfall geworden. Die Stilllegung von maroden Stahlhütten, Kohleminen und anderen nicht mehr wettbewerbsfähigen Staatskombinaten geht ungebremst weiter.
Erst spät ist der Pekinger Führung aufgegangen, welcher soziale Sprengstoff sich in der Mandschurei ansammelt. Vielerorts ist fast die Hälfte der Einwohner ohne Beschäftigung. Streiks und Proteste sind die Folgen. Rädelsführer unter den Arbeitern landen laut Menschenrechtsgruppen im Gefängnis. Die verbotene Opposition hat im Nordosten weiter ihre stärksten Wurzeln. In Changchun häufen sich Banküberfälle und Geiselnahmen. Laut chinesischen Presseberichten sind die Täter oft verzweifelte Arbeitslose, die durch korrupte Chefs um ihre Abfindung oder ihre Löhne geprellt wurden.
Welchen Kurs China angesichts wachsender sozialer Probleme künftig einschlagen wird, darüber scheint sich auch der Kanzler trotz seiner vielen Peking-Visiten nicht ganz im Klaren zu sein. Vor einem Jahr hatte er mit Äußerungen zu sensiblen Themen wie dem Waffenembargo und Nuklearexporten eine Debatte über die Werteorientierung im Verhältnis zu China losgetreten. Diesmal waren bei Schröders offiziellen Auftritten differenziertere Töne zu hören. In kaum einer Rede fehlte der Hinweis auf Rechtsstaat und Menschenrechte.

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