2005-07-19

Verlierer des Booms - Arbeitsschutz in China

Die Tagesschau Online Redaktion schreibt heute über "Den einsamen Kampf der chinesischen Fabrik-Krüppel":
Anwalt Zhou Litai ist der Engel der Wanderarbeiter. Bei ihm landen die Verlierer des Wirtschaftsbooms: Arbeiter, denen Maschinen Hände oder Arme abgerissen haben. Die Firmen scheren sich nicht um Arbeitsschutz und schon gar nicht um Entschädigungen. Zhou kämpft für die Rechtlosen auch gegen die Regierung, die seine Arbeit behindert, wo es geht. Denn auf das Licht des Aufschwungs soll kein Schatten des Elends fallen. Und wenn er Erfolg hat, zahlen manche Mandanten das Honorar an ihn nicht. Moral ist ein Fremdwort auf allen Seiten. Ein junger Mann, Opfer eines furchtbaren Arbeitsunfalls, wird von seiner Mutter vorgeführt. Platz für Intimität gibt es dabei nicht, die anderen Arbeiter schauen zu. Zhou Jian wurden beide Arme vom ungesicherten Förderband einer kleinen Ziegelfabrik abgerissen. Vor dem Unfall bekam er 18 Euro im Monat. Nun kämpft er seit Jahren vergeblich um eine angemessene Entschädigung. Ein weiterer Fall ist der 27-jährige Zhang Nan. Er hatte in einer Fabrik für Motorradteile gearbeitet. Dann erlitt auch er einen schweren Arbeitsunfall: "Die Stanze, die keine Sicherung hatte, sauste plötzlich auf meine Hand, zerschnitt sie", erzählt er und zeigt seine Hand, die wie leblos herunterhängt. "Im Krankenhaus nähten sie alles wieder zusammen. Die Firma gab mir umgerechnet 2000 Euro und sagte, alles werde schon wieder gut. Aber jetzt weiß ich: Meine Hand kann ich nie wieder bewegen." Zhou sammelt Fotos von Mandanten, deren Prozesse er gewonnen hat, von denen viele aber nicht bezahlt haben. 600 sind es insgesamt, der Schaden beträgt umgerechnet 500.000 Euro. "Das Schlimmste passierte mir in Shenzhen", erinnert sich der Anwalt und man merkt, wie sehr ihn das Erlebnis noch heute aufregt. "Da bedrängte die Stadt-Regierung das dortige Gericht, etwa 100 verschiedene Fälle, die ich vertrat, zusammenzufassen und an einem Tag zu entscheiden. Alle Urteile gegen mich, damit ich kein Geld bekommen konnte." Dann - und davon gibt es Video-Aufnahmen - wurden die Mandanten in einen Raum gebeten, bekamen von der Stadtregierung Geschenke und in Umschlägen genau die Summen, die Zhou vor Gericht für sie gefordert hatte. Aber offiziell waren die Prozesse verloren. Der Anwalt ging leer aus. Seine Mandanten bekamen dagegen sogar noch jeder zusätzlich 400 Yuan für die Heimfahrt. Zhou Litai sagt offen, in einer würdelosen Gesellschaft widerten ihn manchmal auch seine Mandanten an. Aber er werde weitermachen, auch um der Gesellschaft ein Stück Würde zu geben.

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