2004-06-24

Die Zeit lässt Xu Xing ein Sittenbild des neureichen China am Beispiel der Eröffnung eines Showrooms für Autos der Luxusmarke Ferrari in Schanghai zeichnen: ch gehe zu einem der Autofans und unterhalte mich mit ihm. Sein Monatslohn: umgerechnet 70 Euro. Was das Auto neben ihm kosten sollte? Keine Ahnung, vielleicht eine Million Euro. Dafür müsste er mehr als tausend Jahre arbeiten. Kann jemand tausend Jahre leben? Keine Ahnung. ... Der Rest der Ferrari-Veranstaltung ist so schlecht organisiert, dass alles im Chaos versinkt. Man erzählt, eine PR-Firma aus Peking sei verantwortlich. Die Firmenmanager sind nirgendwo zu finden. Mädels, die wie Kindermädchen aussehen, und ein Junge, der einem Gemüsehändler ähnelt, geben sich als Arbeitspersonal der PR-Firma aus. Sie können kein Wort Englisch sprechen und schauen so verzweifelt umher, als suchten sie nach dem Huangpu-Fluss, der durch die Stadt fließt, um sich in seine Fluten zu stürzen. Vor ihnen aber stehen einige fassungslose Ausländer, die sich wie nervöse Esel im Kreis um die Mühle drehen. Hilflos starren sie auf das Tagesprogramm, das kein einziges Detail verrät. ... Die letzte Veranstaltung des Tages ist ein prächtiges Abendbankett mit einer riesigen Gala im Shanghaier Ausstellungszentrum. Leider muss man stundenlang auf das Essen warten, denn erst gibt es die Show Scaglietti 612, benannt nach einem Modell, das bald auf dem chinesischen Markt erhältlich sein wird. Die hübsche Dolmetscherin übersetzt „4,2 Minuten“ statt „4,2 Sekunden“, eine stolze Zeit für einen Ferrari für die Beschleunigung auf 100 Stundenkilometer. Ein Kellner murmelt leise: „Das schaffe ich auch mit meinem Fahrrad.“

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