2004-11-18

Chinas Sexaufklärerin: Sex, Drogen, Rock'n'Roll und das Lebensgefühl zwischen Mao und Moderne: Die Bücher der chinesischen Schriftstellerin Mian Mian dürfen in der Volksrepublik nicht gedruckt werden. Im Ausland erfreuen sich die Geschichten der schillernden Kult-Autorin dafür größter Beliebtheit - trotz kulturellem Jetlag. ... Der Kosmos, in dem sich Mian Mians Figuren bewegen, ist westlichen Lesern seltsam vertraut. China-Klischees spielen keine Rolle darin: Die Protagonisten sind eher Heroin rauchende Rockgitarristen als Fahrrad fahrende Arbeiter und Bauern; eher vergnügungssüchtige Partygirls als schweigsame Konkubinen. Auch Politik ist kein Thema, wenigstens nicht direkt. Dennoch ist Mian Mians Prosa den Partei-Kadern nicht genehm. Ihre Kurzgeschichtensammlung "Candy" hatte sich in den ersten vier Monaten nach ihrem Erscheinen bereits 40.000 Mal verkauft, als die Veröffentlichung von höchster Stelle untersagt wurde. Mian Mian sei "eine Symbolfigur geistiger Umweltverschmutzung", so lautete das Verdikt. ... Spannend wird es allerdings, wenn Mian Mian ausnahmsweise das Lebensgefühl ihrer eigenen Generation einfängt, der heute 30- bis 35-jährigen Chinesen, die nach der Kulturrevolution und vor der Globalisierungswelle der letzten Jahre aufgewachsen sind. "Wir sind mit russischen und nordkoreanischen Filmen groß geworden, nun hören wir Musik aus England, sitzen bei Instant-Nudeln in der Küche, befürchten, AIDS zu haben und rauchen Haschisch aus Xinjiang", lässt Mian Mian die Erzählerin in der Geschichte "Wir fürchten uns" sagen - und ist in diesem Moment ganz eins mit ihrer literarischen Figur. ... Die Auswirkungen beobachtet die Autorin täglich in ihrer Wahlheimatstadt: "Geld ist reichlich vorhanden, aber den Leuten fehlt der Geschmack. Das habe ich erst auf meinen Auslandsreisen gemerkt - in Schanghai selbst halten die Leute sich für den Nabel der Welt." Und natürlich ist das neue Buch von Mian Mian in Deutschland erhältlich.

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