2005-11-04

Folter-Gulags: die chinesische Polizeipsychiatrie

Die Zeit beschäftigt sich mal wieder mit der Missachtung der Menschenrechte in China unter dem Titel "Elektroschocks gegen das Virus Freiheit":
Vor dem Besuch des chinesischen Präsidenten Hu Jintao in Berlin finden verfolgte Dissidenten in Deutschland Asyl: In der ZEIT berichten Opfer der Polizeipsychiatrie Chinas erstmals von ihren Leiden. Seit elf Wochen lebt Wang Wanxing mit seiner Familie in einer Zwei-Zimmer-Wohnung im 6. Stock eines Sozialwohnungsbaus im Frankfurter Stadtteil Sossenheim. Eine ruhige Gegend. Jeden Abend joggt Wang auf dem benachbarten Sportplatz. Meist ist er dabei allein. Manchmal weint er beim Laufen. Sonst bleibt er zu Hause. An der Türklingel fehlt sein Name. Wang will nicht auffallen. Elf Wochen lang hat die Öffentlichkeit nichts von der spektakulärsten Entlassung eines chinesischen Dissidenten seit vielen Jahren erfahren. Wang Wanxing nahm den Air-China-Flug CA931 von Peking nach Frankfurt am 16. August dieses Jahres. Neben ihm in der ersten Klasse saßen der deutsche Diplomat Matthias Biermann und chinesische Sicherheitsbeamte. »Nach 13 Jahren im Pekinger Psychiatriekrankenhaus flog ich direkt von der Hölle in den Himmel«, sagt der 56-jährige chinesische Langzeitdissident. ... Zum ersten Mal entließ die chinesische Regierung einen Häftling ihrer berüchtigten Ankang-Krankenhäuser ins Exil. Wang Wanxing war der bekannteste politische Gefangene, der in einer dieser psychiatrischen Einrichtungen festgehalten wurde. Ankang bedeutet »Sicherheit und Gesundheit«. Doch wer ein Ankang von innen erlebt hat, verbindet damit Schrecken, Folter und Mord. Ankang klingt für die betroffenen Opfer wie für andere Gulag. Den beschönigenden Namen gab die KP Chinas im Jahr 1987 ihren bis dahin von der Polizei im Verborgenen geführten psychiatrischen Krankenhäusern. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Nervenheilanstalten unter dem Dach ziviler Krankhäuser dienen Chinas Polizeipsychiatrien nicht nur zur Behandlung Geisteskranker, sondern auch zur Verwahrung und Demütigung politisch Andersdenkender. Unter den Dissidenten Chinas ist Wang seit langem eine Legende. Schon 1966, als Oberschüler, begehrte er gegen die Kulturrevolution auf. Er stritt 1976 für die Rehabilitierung Deng Xiaopings und wurde dafür ins Gefängnis gesperrt. Er unterstützte die Demokratiebewegungen von 1979 und 1989. Weltruhm erlangte er am 4. Juni 1992. Es war der dritte Jahrestag des Tiananmen-Massakers. In einer Ein-Mann-Aktion rollte Wang auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking ein Transparent für die Rehabilitierung der dort drei Jahre zuvor von der Volksarmee ermordeten Demonstranten auf. Bei seiner Festnahme wurde der amerikanische Fernsehjournalist Todd Carrel von der Polizei so verprügelt, dass er bis heute gelähmt ist. Mehrere ausländische Journalisten erlitten schwere Verletzungen. Wang blieb unvergessen. Der englische Sinologe und Psychiatrieforscher Robert Munro nahm sich im Auftrag der New Yorker Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch seines Falls an. Munro lieferte regelmäßig Informationen an die Außenministerien in Berlin und Washington. Seinen Recherchen zufolge missbraucht China seit Jahrzehnten psychiatrische Anstalten als politische Gefängnisse wie einst die Sowjetunion. ... Wang selbst, aber auch weniger bekannte Ankang-Opfer, die noch weit grausamere Behandlungen erlitten als der bekannte Dissident, erklärten sich in den vergangenen Wochen gegenüber der ZEIT erstmals bereit, über ihre Leiden als politisch Verfolgte in der chinesischen Polizeipsychiatrie zu berichten. Übereinstimmend beschuldigen sie die Polizeibehörden, gesunde Menschen allein wegen ihrer Kritik an den Autoritäten ohne gesetzliche Einspruchsmöglichkeit in Hospitäler zu sperren und zu foltern – mit Elektroschocks, Insulinschocks, chemischen Zwangsjacken und glühendem Eisen.

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