2004-11-25

Vor der "chinesischen Falle" warnt der SZ-Korrespondent Kai Strittmatter im Magazin Cicero. Eine interessante Abrechnung mit dem und Geschichte des China-Hype: China elektrisiert die westlichen Kaufleute seit Marco Polo. Es ist eine Geschichte der Enttäuschungen – und eine Warnung vor der aktuellen Euphorie um das Reich der Mitte. China schickt einen Menschen ins All, es meldet mehr Mobiltelefone als die USA. Seine Jugendlichen färben sich die Haare modisch blond, seine Staatsführer färben sie sich jugendlich schwarz und seine Importe legten im vergangenen Jahr um vierzig Prozent zu. „Spektakulär“ findet dies das deutsche Kanzleramt auf Peking-Besuch, „Wahnsinn“, murmelt ein bayerischer Landesfürst am selben Ort. China. Ein Volk von 1,3 Milliarden Menschen, ein Markt von 1,3 Milliarden Käufern. China sei die „heißeste Marketing Idee der nächsten hundert Jahre“, finden die Werber von Saatchi & Saatchi. ... China hat das Abendland damals gepackt und es seither nicht mehr losgelassen. Der US-Autor Joe Studwell („The China dream“) nennt China das „größte und hartnäckigste Versprechen der Weltgeschichte“ – das bis heute seiner Einlösung harrt. Es waren nicht nur Kaufleute, die ihr Heil im Fernen Osten suchten. Die Jesuiten entdeckten im 17. Jahrhundert einen ebenso lockenden Markt: Millionen zu erlösender Seelen. Auch Philosophen ließen sich anstecken. „Wer hätte einst geglaubt, dass es auf dem Erdkreis ein Volk gibt, das uns ... in den Regeln eines noch kultivierteren Lebens übertrifft?“, schrieb Gottfried Wilhelm Leibniz 1697. Eigentlich sollten die Chinesen uns Missionare schicken, schlug Leibniz vor. Er war nie in China. Gerade deshalb konnte der Philosoph sich sein eigenes China schaffen, ein Gegenentwurf zu den Makeln seiner Zeit. „Ein weißes Blatt Papier, auf das sich die schönsten Zeichen malen lassen“, so hat Mao Zedong China einmal sein Land beschrieben. Der Westen malte eifrig.

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