2005-08-23

Schwulsein in China

Spiegel Online widmet sich dem Thema Homosexualität im Reich der Mitte:
Bis 2001 galt Homosexualität im Reich der Sitte noch als Geisteskrankheit, nun beginnt das Tabu zu bröckeln. Chinas sexuelle Revolution erreicht die Hochschulen: Die Uni Shanghai startet den ersten Kurs über schwule Kultur. Das Interesse ist enorm. Sun Zhongxins Fachgebiet ist die Geschlechterforschung. Aber richtig hellhörig werden die Studenten in seinen Vorlesungen, wenn er zum Kapitel "Homosexualität" kommt. "Ich habe schnell gemerkt, wie interessiert die Studenten an dem Thema sind", berichtet Sun in der chinesischen Zeitung "Shanghai Daily". Also zog der Professor die Konsequenzen und bietet im kommenden Semester einen eigenen Kurs zum Thema "Homosexualität und Schwulen-Kultur" an der renommierten Fudan-Universität in Shanghai an. Das Seminar ist schon jetzt überlaufen: Für die 100 Plätze haben sich bereits mehrere hundert Studenten beworben. Mit dem Seminar will Sun vor allem Ignoranz und Vorurteile über Homosexualität abbauen - neue Töne in der Volksrepublik. Sie fügen sich in die zaghafte sexuelle Revolution ein, die seit den neunziger Jahren in China um sich greift. Vor allem die Universitäten galten jedoch noch lange als die Bastion sexueller Prüderie. Bis vor wenigen Monaten durften Studentinnen und Studenten vor ihrem Abschluss nicht heiraten, geschweige denn Sex haben. Wer sich vor dem Diplom beim Liebesspiel erwischen ließ, dem drohte die Exmatrikulation. Und zum Welt-Aids-Tag im letzten Dezember stoppte die sittenstrenge Universität Peking die Verteilung kostenloser Kondome auf dem Campus. Seit geraumer Zeit rebellieren die Studenten gegen prüde Genossen und verknöcherte Sexualmoral. Das Eheverbot ist zwar schon gefallen, Homosexualität ist gesellschaftlich jedoch noch immer ein Tabu. Dabei war gleichgeschlechtliche Liebe in den Zeiten der großen chinesischen Dynastien vor 1911 weit verbreitet. "Homosexuelle Beziehungen neben der Ehe waren ganz normal", sagte Mechthild Leutner, Sinologin an der FU Berlin ... Über 90 Prozent der homosexuellen Chinesen leben in heterosexuellen Ehen, um ihre Neigung zu verstecken. Der Druck kommt von Freunden, von Nachbarn, von Berufskollegen. Experten können nur schätzen, dass etwa sieben Prozent der 1,3 Milliarden Chinesen homosexuell sind.

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