2005-06-16

Lobgesang auf das chinesische Kino

Auch im Feuilleton hat die Zeit diese Woche China fest im Blick und stellt die These auf, dass das Beste im Bereich Kino momentan aus dem Reich der Mitte kommt:
Auf den letzten Berliner Filmfestspielen, als nach der Vorführung eines chinesischen Films eine Publikumsdiskussion entbrannte, machte ein Zuschauer die denkwürdige Bemerkung, dass angesichts der Lebendigkeit und Vielfalt des chinesischen Kinos alle anderen Filmländer demnächst einpacken könnten. Das mag übertrieben klingen. Und doch hat kein anderes Kinoland im letzten Jahrzehnt explosionsartig einen solchen Formenreichtum hervorgebracht. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich eine staatlich kontrollierte und zensierte Filmproduktion zu einer Kinolandschaft, die emsig Underground, Entertainment und international kofinanzierte Arthouse-Projekte produziert. Und deren Filme sowohl auf ausländischen Festivals als auch an den einheimischen Kassen reüssieren. Aber was macht dieses Kino so lebendig? Warum wirkt es so konsequent, direkt, authentisch – abgesehen von der Tatsache, dass es seine Geschichten quer durch die Genres und Budgets auf einem schwindelerregend hohen ästhetischen Niveau erzählt? ... Vielleicht ist der chinesische Film zurzeit so ungemein lebendig, weil er permanent von verschwindenden Lebensweisen, aber auch von neuen Versprechungen und Identitäten erzählt. Womöglich filmt und dokumentiert man anders, einfach existenzieller, wenn ein Land von den Zeitläuften überrollt wird und Kinomachen buchstäblich ein Akt des Festhaltens ist. Weil die Menschen vor dem Objektiv schon morgen anders leben, wohnen, arbeiten könnten. Aber auch weil ihre Fabriken demontiert und ihre Häuser abgerissen werden – oder gerade unter den Fluten des gigantischsten Staudammprojekts der Menschheitsgeschichte begraben werden.

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