2006-05-06

Dicke Luft in China und das große Keuchen

Telepolis beschäftigt sich mal wieder mit den Auswirkungen des Wirtschaftswachstums in China auf die Umwelt:
Als Chinas Präsident Hu Jintao letzte Woche die USA besuchte, waren Taiwan und die Menschenrechte durchaus ein Gesprächsthema, die Umwelt jedoch nicht: die Amerikaner haben hier selbst – zu Recht – ein schlechtes Gewissen. Doch während Hu Jintao in Washington weilte, litt sein Land unter der schlimmsten Luftverschmutzung seit Jahren: Sandstürme suchten ein Achtel des Landes heim und kosteten in der westlichen Provinz Gansu zwei Arbeitern das Leben. Am 19. April konnten in der Hauptstadt Peking erst 56 Tage klaren blauen Himmels in 2006 verzeichnet werden, 16 weniger als im letzten Jahr, während die Weltbank verkündet, dass 16 der 20 am meisten von Umweltverschmutzung belasteten Städte in China liegen. Chinesische Umweltwissenschaftler haben unter der Leitung von Honghong Yi an der Tsinghua-Universität in Peking gerade enthüllt, wie schlimm die Situation tatsächlich ist (Energy Policy, DOI: 10.1016/j.enpol.2006.01.019). Zwar hat China in den letzten Jahren viel getan, um die Luftqualität zu verbessern, doch die Effekte wurden vom ungebremsten Wirtschaftswachstum völlig überrannt. So emittiert China mehr Schwefeldioxid als jedes andere Land der Welt, was zu saurem Regen über einem Drittel des Landes führt. Ruß und andere Feinstäube nehmen ebenfalls massiv zu. Obwohl den meisten Chinesen der Wirtschaftsaufschwung noch gar nicht zugute kommt, leiden sie bereits unter seinen Umwelt-Nebenwirkungen. Wenn nichts getan wird, werden die Gesundheitskosten im Land in den nächsten 15 Jahren astronomische Werte erreichen, so der New Scientist in seiner aktuellen Ausgabe. Eine Besserung in den nächsten Jahren ist nicht zu erwarten: das statistische Amt Chinas berichtet, dass das Land den Energieverbrauch seit 1980 verdreifacht hat und heute 10% des Weltenergieverbrauchs stellt.

Vortrag: Das asiatische Jahrhundert

Ausnahmsweise mal eine Veranstaltungsankündigung, durchgeführt vom Verein Berlin China Cultural Bridges:
„Das asiatische Jahrhundert“ –  Vortrag und Expertengespräch mit Dr. Karl Pilny und Dr. Martin Posth. Mittwoch, 10.5.2006, 19.30 Uhr (anschließend Get Together) im China Gate Berlin, Neues Kranzler Eck, Kurfürstendamm 22: Henry Kissinger konstatiert: „Die Welt als Ganzes ist heute so sehr in Bewegung  wie schon seit Jahrhunderten nicht mehr“. Vor allem China hält die  Welt in Atem: Seit knapp 25 Jahren bestaunt der Westen die Aufholjagd des Reichs  der Mitte und das unerhörte Wachstum seiner Volkswirtschaft. Anfängliche Skepsis verwandelte sich in Respekt und Bewunderung, und schlägt zunehmend in Furcht um. China ist, gemessen am Bruttoinlandprodukt, schon jetzt die viertgrößte  Wirtschaftsnation weltweit – am Anfang des 21. Jahrhunderts ist die kommende  Supermacht zum Symbol für Stärke geworden. Zum potentiellen Herausforderer  der Supermacht USA. Ist China damit ein Gewinner der Globalisierung? Oder droht  durch den unkontrollierbaren Zustrom von Geld und Geist, von cash und content,  der Verlust seiner Einmaligkeit - gar ein Auseinanderbrechen des Riesenreiches,  weil die ideologische Klammer des Kommunismus an Kraft verliert und der Zentralismus  durch die Zentrifugalkräfte der Wirtschaftsdynamik gesprengt wird? Diese Fragen sind exemplarisch für die westliche Denkweise, die China nur für eine defizitäre Form der eigenen Entwicklung hält. Es wird  nicht bemerkt, dass sich hier womöglich etwas Eigenes Bahn bricht. Die Komprimierung  der Zeit, China erreichte in 30 Jahren das, wofür Europa 400 Jahre gebraucht  hatte, beinhaltet nicht nur nach außen sichtbares Wachstums und beeindruckende  Statistiken. Auch das Tempo der inneren Veränderung - der Pluralismus, die  vielen nebeneinander existierenden kulturellen Milieus - sind ohne Beispiel. Dr. Karl H. Pilny wird in seinem Vortrag nicht nur auf die Frage, wie die Globalisierung  China verändern wird, eingehen, sondern auch, in welchem Maße China  aufgrund seiner wirtschaftlichen, geographischen und vor allem kulturellen Dimensionen die globalen Prozesse in der Vergangenheit beeinflusst hat und künftig mitbeeinflussen wird. Im anschließenden Expertengespräch mit Dr. Martin Posth wird es vor  allem um die kulturell prägende Kraft dieser seit 5000 Jahren existierenden  Hochkultur gehen – ein Aspekt, der durch die Fixiertheit auf wirtschaftliche  Erfolgsstatistiken, billige Arbeitslöhne und demographische Zahlen häufig  außer Acht gelassen wird.

Die Veranstaltung ist kostenlos. Um Anmeldung unter info@berlin-china-bridge.com wird gebeten.


Update: Na, da macht man schon mal eine Vortragsankündigung -- und dann fällt die Veranstaltung leider doch aus. Also wieder streichen im Kalender, im September eventuell soll die Sache nachgeholt werden.

China, der Papst, die Bischöfe und die Exkommunikation

Die katholische Kirche in China hat kurzerhand in Eigenregie zwei neue Bischöfe ernannt, was der Papst mit deren Exkommunikation beantwortete. Jetzt tobt der Streit über die beiden Entscheidungen:
China und der Vatikan stehen nach der angekündigten Exkommunikation von zwei chinesischen Bischöfen durch Papst Benedikt XVI. vor einer neuen Eiszeit. Vatikan-Sprecher Joaquín Navarro-Valls hatte die Verurteilung der diese Woche zu Bischöfen ernannten Priester Joseph Ma Yingling von Kunming und Joseph Liu Xinhong von Wuhu in Anhui mit der "schweren Verletzung der Einheit der Kirche" begründet. Ihre Ernennungen erfolgten ohne Einverständnis des Papstes. Ihre Ordinationen seien "illegitim". Nach kanonischem Recht hätten sie mit Sanktionen zu rechnen. Besonders empörte den Vatikan, daß sich Chinas staatliche Bischofskonferenz über alle Kritik aus Rom und von Hongkongs Kardinal Joseph Zen hinwegsetzte. Die angedrohten Exkommunizierungen seien eine Warnung. Pekings Außenministerium reagierte am Freitag überrascht und will erst nach Ende der Maifeiertage zu den politischen Auswirkungen Stellung nehmen. Chinas Regierung hatte jüngst eine Normalisierung ihres Verhältnisses zur römischen Kurie in Aussicht gestellt, aber von zwei Bedingungen abhängig gemacht, vom Ende diplomatischer Beziehungen des Vatikan zu Taiwan und von seiner Nichteinmischung in die innere chinesische Kirchenpolitik. Der Vizevorsitzende der patriotischen katholischen Vereinigung, Antonius Liu Bainian, beharrte gegenüber der "Morgenpost" auf dem Recht seiner Kirche, Bischöfe selbständig zu ernennen. "Wir können damit auch nicht warten. Uns fehlen fast 50 Bischöfe. Wo immer es geeignete Kandidaten gibt, werden die Diözesen sie wählen und ernennen." Liu, dem vom Hongkonger Kardinal Zen vorgeworfen wird, aus politischen Motiven eine Aussöhnung mit dem Vatikan zu hintertreiben, sprach von einem Mißverständnis Roms. "Solange es keine Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Regierungen Pekings und des Vatikans gibt, sitzen chinesische Katholiken zwischen den Stühlen." Unabhängige Kirchenexperten werten die jüngsten Bischofsweihen, bei denen Kandidaten gewählt wurden, die für "ihre patriotische Gesinnung" bekannt sind, als eine von Peking demonstrativ inszenierte Herausforderung Roms.
Merkt man eben doch, dass Ratzinger mal Großinquisitor war.