2008-01-12

Der Aufstieg der "Kreativ-Wirtschaft" in China

Brian Holmes hat sich Gedanken gemacht über die zunehmende Rhetorik der "Creative Industries" in China (da vor allem Werbung, PR, Spots und Lifestyle-Magazine damit gemeint sind, nicht mit Kulturindustrie zu übersetzen, es handelt sich um eine postmoderne Fortschreibung derselben): Ihm zufolge geht es um die Aufrechterhaltung eines Systems
of the contemporary division of labor, in which massively individualized mobility is channeled and orchestrated to fit the needs of those with superior information-gathering power and organizational technique. The central question under such a social system is: Who will supply the mobilizing energies to hundreds of millions of free agents? Who will communicate to the communicators? Here is where the creative industries come in: not the traditional fine arts, nor the modernist cultural industries like cinema and radio, but instead the newly minted and digitized professions that shape the lightweight, complex, ephemeral, ever-changing aesthetic experiences of the hyper-mediated city. The professionals who create the advertising, the color schemes, the lighting, the ambiance, the interactive circuits, the interior design, but also the artists and musicians and publics who soak up that light and make those ambiances vibrant and interesting and valuable on the market. Throughout China right now there is a rising buzz around the creative industries, in Beijing as they get ready for the Games, in Shanghai as they work toward the World Expo, in the Pearl River Delta as they add entire new city centers and cultural facilities to urban production zones trying to upgrade from their status as the world factory. The interest in this new “new economy” is sustained at the governmental level by a small army of foreign consultants who have come to sell their skills and reinvent themselves in Beijing, and it’s amplified back in the West by professional style magazines like Fast Company, which ran a glitzy special on “China’s New Creative Class” in mid-2007. ...

As a twenty-five year-old computer programmer confided to labor researcher Andrew Ross: “China is a very crowded world and Shanghai is not a place you can ever relax. Even when I try to relax, I can feel the economy behind me, running up at my back.” The art of outracing the economy, of dancing and twirling and glittering just in advance of its leading edges, is what defines the creative industries. The creative industries discourse (CI) is brand new, since it was only codified by the British cultural ministry’s Creative Industries Task Force in 1998. But it’s also very old, if you date it back to Ronald Reagan’s “Creative Society” speech in the mid-1960s, one of the foundation stones of neoliberal doctrine. ...

CI is both a policy discourse and a promotional rhetoric. It flourishes in financialized economies, driven by speculation on prosumer appetites for aesthetic goods and services. For governments, the aim is to attain higher levels of employment and economic growth, by commodifying and privatizing some of the cultural programs judged necessary for social cohesion. For businesses, it’s a matter of competing in highly profitable sectors where new-style design products, entertainment and IT meet the old-fashioned pay dirt of real-estate. CI has exploded in East Asia since the turn of the millennium. Michael Keane has shown how it emerged as a full-fledged policy discourse in China over a mere two-year period (2004-06). Updating their former emphasis on mass-media spectacles with traditional content, officials now speak of “Cultural and Creative Industries.” The goal is a rise of Chinese products through the global value-chain, from “Made in China” to “Created in China.” But the advertising and design professions are also supposed to fuel a surge in the nation’s consumption of its own seemingly boundless productivity – an elusive goal which is considered essential by both the Communist party and American trade representatives. The concrete results of all this have been the overnight bloom of “creative clusters” in China’s coastal cities: integrated districts where the multiple arts of human creativity are brought into a theoretically ideal mix on the urban territory.

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2008-01-11

Chinesischer Citizen Journalist von Polizei erschlagen

Die neuen Medien und was die Nutzer damit machen, ist für die chinesische Staatsmacht seit langem ein Gräuel. Jetzt gab es den ersten Toten im Kampf um die Informationshoheit:
In China wurde der erste "Bürgerjournalist", wie Reporter ohne Grenzen sagen, von Angehörigen einer schon lange wegen ihrer Willkür und Brutalität unbeliebten Stadtpolizei (Chengguan) zu Tode geprügelt. Wei Wenhua wollte mit seiner Handykamera am Montag in einem Dorf in der Nähe der Stadt Tianmen filmen, wie die Polizisten versuchten, Menschen mit Gewalt zu vertreiben, die Müllfahrzeuge blockierten, um so zu verhindern, dass weiter Abfall, der die Luft verpestet und das Grundwasser kontaminiert, entladen wird. Der 41-jährige Wei hatte die Szene aus dem Auto gesehen, in dem er mit einem Kollegen gefahren war, und war dann mit seinem Handy ausgestiegen, um Aufnahmen zu machen. Als die Polizisten dies sahen, schlugen Dutzende auf den Mann ein. Auf dem Weg ins Krankenhaus ist Wei gestorben. Das Handy zwar gefunden, die aufgenommenen Bilder waren aber gelöscht worden. Was Wei mit den Bildern hätte machen wollen, ist nicht bekannt. Auch die staatlichen Medien berichteten über den Vorfall. Tausende von Menschen sollen am Dienstag in Tianmen gegen die Polizeibrutalität demonstriert haben, die Behörden haben laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua inzwischen vier der beteiligten Polizisten festgenommen und ermitteln insgesamt gegen 100.
(Alle Schachtelsätze + Ellipsen im Original)

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2008-01-07

Peking zensiert Online-Videos schärfer

Neuer Versuch, die Meinungsfreiheit im Internet zu beschneiden:
Chinas Regierung weitet die Zensur im Internet aus. Ab 31. Januar dürfen im Netz nur noch Videos veröffentlicht werden, die den Wertvorstellungen der Kommunistischen Partei entsprechen: keine Gewalt, kein Sex, kein Glücksspiel, keine Staatsgeheimnisse. Auch moralisch, sozial oder politisch bedenkliche Situationen dürfen nicht gezeigt werden. Damit lässt die neue Vorschrift der staatlichen Medienbehörde viel Spielraum für Interpretation. Material ins Internet stellen dürfen künftig ausschließlich staatlich kontrollierte Unternehmen, sie müssen sich zudem um eine dreijährige Lizenz bemühen. Mit dem Schritt verschärft China im Vorfeld der Olympischen Spiele im August seinen Einfluss auf die Medien weiter. Zeitungen, Fernsehen und Radio werden in der Volksrepublik traditionell scharf überwacht. Im Internet existieren einige unabhängige Medien, sie werden aber - genau wie Websites aus dem Ausland - von der Zensur kontrolliert. Regimekritische Webangebote sind zeitweise vollständig blockiert. Unerwünscht sind etwa Berichte über die Unabhängigkeitsbestrebungen in Xinjiang und Tibet oder Proteste gegen die Umweltverschmutzung.

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2008-01-06

China startet Sondierung zum Umweltschutz

Peking will herausfinden, wie groß die Umweltschäden im Reich der Mitte bereits sind:
Es ist eine Erhebung gigantischen Ausmaßes: China will mit seiner ersten landesweiten Umfrage herausfinden, wie schlimm es um die Umwelt im eigenen Land bestellt ist. Dabei greift die Regierung auf einige Tricks zurück, um Provinzpolitiker zur Wahrheit zu ermutigen. China hat sich nach 30 Jahren Reformen seinen wirtschaftlichen Aufschwung teuer erkauft. Wasser, Luft und Böden sind durch Schadstoffe schwer belastet. 26 Prozent aller Oberflächengewässer von den Strömen bis zu den Seen seien selbst für eine wirtschaftliche Nutzung „völlig unbrauchbar“. 62 Prozent „eignen sich nicht für Fische“. 90 Prozent der Flüsse, die durch die Städte fließen, sind „umweltverseucht“, schrieb am Wochenende die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. Ihre Wasseranalyse deckt sich mit der fortschreitende Verschlechterung der Luft. Die Schwefeldioxid-Emissionen stiegen von 2000 bis 2005 um 27,8 Prozent. Mehr als ein Drittel des Landes und seiner Böden ist heute vom „Sauren Regen“ oder von Schwermetallen und Chemiegiften, die die Flüsse anschwemmen, geschädigt. Beim CO2-Ausstoß wird China, das seinen Strom vor allem aus Kohle erzeugt, in absoluten Zahlen vermutlich 2008 die USA einholen. Stimmen diese katastrophalen Bilanzen? Oder ist das Szenario gar noch schlimmer? Nur wenige Wochen nach der Bali-Konferenz will China mit seiner ersten landesweiten Umfrage seit Gründung der Volksrepublik wissen, wie es wirklich um seine Umwelt bestellt ist. Gleich nach dem Frühlingsfest sollen ab Mitte Februar hunderttausende Erheber zu einer zweimonatigen Bestandsaufnahme ausschwärmen. Die ein Jahr lang geschulten Befrager suchen die Schadstoff-Quellen in den Provinzzentren, Städten und Armeeeinheiten ebenso heim wie die Agrarbertriebe in den 2858 Landkreisen. Allein in der Hauptstadt Peking sollen 82.000 Schadstoff-Verursacher abgefragt werden. ...

Für die aufwendige Mamut-Befragung der Schadstoff-Verursacher aus vier verschiedenen Bereichen, die sich Peking umgerechnet rund 70 Millionen Euro kosten lässt, wurde als Stichtag der 31. Dezember 2007 festgelegt. Untersuchungsschwerpunkte sind neben den Unternehmen, die Schwermetalle, gefährlichen oder radioaktiven Abfall produzieren, auch die elf schlimmsten Verursacher aus der Papier-, Strom-, Stahlindustrie oder Petrochemie und 16 Branchen mit hohem Schadstoffausstoß wie Arzneimittel, Verkehrsbetriebe, Bergbau. Die Ergebnisse des ersten Umweltzensus Chinas sollen vor Juli 2009 veröffentlicht werden.

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2008-01-04

China kauft sich in australische Finanzwirtschaft ein

China goes down under via Hongkong:
Finanztransaktion mit politischer Sprengkraft: Die staatliche chinesische Devisenbehörde hat sich heimlich bei drei der vier größten Banken Australiens eingekauft. Interesse hat sie auch an britischen Geldhäusern. Der Einstieg der Chinesen geschah von Hongkong aus: Es war der Hongkonger Ableger der State Administration of Foreign Exchange (Safe), der die Aktienkäufe in Australiens Bankenszene abwickelte. Auf den ersten Blick erscheint die Beteiligung klein. Sprecher der Australia and New Zealand Bank, der Commonwealth Bank sowie der National Australia Bank der "Financial Times" sagten, Safe halte jetzt Anteile von jeweils weniger als ein Prozent an ihren Instituten. Der Wert der Beteiligung beläuft sich aber auf auf 200 Millionen australische Dollar - jeweils. In der Summe sind das umgerechnet rund 320 Millionen Euro. Safe habe die Aktien in den vergangenen zwei Monaten in kleinen Schritten gekauft, um den Kurs nicht zu beeinflussen und unerkannt zu bleiben ... Die Möglichkeiten der Chinesen sind groß: Safe verwaltet mehr Devisen-Reserven als irgendeine andere Finanzeinrichtung auf der Welt. Insgesamt hat die Volksrepublik 1,3 Billionen Dollar an Devisenreserven angehäuft.

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Todesstrafe: Giftspritze statt Genickschuss

Im Vorfeld der Olympischen Spiele hat ein Pekinger Gericht die Regeln zur Vollstreckung der Todesstrafe "abgemildert":
Offenbar mit Blick auf die Sportveranstaltung verändert die Volksrepublik die Vollstreckung der Todesstrafe. Künftig soll nicht mehr durch Kopfschuss sondern durch Giftspritze hingerichtet werden, so der Vizepräsident des Obersten Gerichts in Peking, Jiang Xingchang, laut der China Daily. "Es wird als humaner angesehen und wird letztendlich von allen Gerichten eingesetzt werden." Die Direktorin der Asienabteilung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Sophie Richardson, ist von diesem Schritt nicht überrascht: "Der Zeitpunkt der Reform ist kein Zufall, diesen Schritt hätte die chinesische Regierung auch schon vor zehn Jahren nehmen können, die kommenden Olympischen Spielen beeinflussen die Öffentlichkeit", sagt sie im Gespräch mit sueddeutsche.de. Human Rights Watch erwartet "wirkliche Reformen": Die Abschaffung der Todesstrafe und bis dahin die Einhaltung internationaler Gesetze bei Gerichtsverfahren. Die Art der Exekution ist laut Richardson nicht das einzige Problem, auch die Prozesse verlaufen sehr problematisch. So werde Anwälten die Akteneinsicht verweigert, Geständnisse würden erzwungen. "Die Entscheidung Menschen zu erschießen oder mit einer Spritze zu töten ist kein Beweis des Fortschritts", sagt Richardson. Derzeit verwenden etwa die Hälfte der Mittleren Volksgerichte die Spritze als Exekutionsmittel. Es bleibt unklar, bis wann die Umstellung komplett erfolgen soll. ... Mit Hinblick auf Olympia haben die kommunistischen Machthaber noch eine weitere Maßnahme verfügt: Die Bettler und Straßenhändler vom Tiananmen-Platz sollen verschwinden, berichtet die Nachrichtenagentur Xinhua. In der Hauptstadt soll ein harmonisches und zivilisiertes Umfeld herrschen. Dies solle mit Kontrollgängen rund um die Uhr gewährleistet werden, meldet die Pekinger Polizei. Was für Strafen denjenigen drohen, die trotzdem erwischt werden, ist nicht bekannt.

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2008-01-02

Deutsche Maschinenbauer haben Angst vor Chinesen

Das Patentwesen ist sicherlich nicht golden, die neue Idee deutscher Maschinenbauer aber auch nicht gerade glänzend:
Bei deutschen Maschinenbauern wird wieder verstärkt auf den Geheimnisschutz rund um Forschung und Entwicklung gesetzt. Gleichzeitig kommt der alternative Patentschutz von Erfindungen in diesem Industriebereich laut einem Bericht der Financial Times Deutschland aus der Mode. Ziel dieses Trends ist es demnach, den im Westen gefürchteten chinesischen Produktkopierern das Handwerk zu erschweren. "Wir raten unseren Mitgliedern inzwischen, Patente nur noch anzumelden, wenn die Produkte ein sehr komplexes technisches Know-how voraussetzen", erläutert der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Hannes Hesse. Nach einer Studie des VDMA sind vier Fünftel der Unternehmen der Investitionsgüterindustrie bereits Opfer so genannter Produktpiraterie geworden. Die Schäden durch Plagiate würden weltweit auf bis zu 660 Milliarden Euro jährlich geschätzt. Auf dem Rechtsweg gebe es gerade in China aber kaum Chancen, sich gegen den Ideenklau zur Wehr zu setzen, erklärt Hesse. "Viele Unternehmen lauern deshalb darauf, bis die Plagiate in Ländern auftauchen, in denen das Rechtssystem besser funktioniert. Erst dann gehen sie gegen die Produktpiraten vor." Tatsächlich sind viele Maschinenbauer vorsichtig geworden. Man stelle nur noch wenige Patentanträge, heißt es beim weltgrößten Stahlwerksbauer SMS Group. Chinesische Konkurrenten würden regelmäßig Patentschriften studieren, um die Produkte dann zu kopieren. "Wir versuchen, die Chinesen so lange wie möglich auf Abstand zu halten", lautet auch die Parole von Harald Joos, Chef des Kranherstellers Demag. Der Weltmarktführer bei mobilen Lastenhebern in Häfen, der insgesamt über rund 1500 Patente verfügt, hat schlechte Erfahrungen gemacht. Zwei frühere Kran-Generationen seien von den Chinesen nachgebaut worden. Die neuesten Geräte seien wegen des größeren und schwieriger zu kopierenden Softwareanteils dagegen noch nicht betroffen. Den Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA), Jürgen Schade, besorgt die Entwicklung. "Patente nicht anzumelden, bedeutet, weltweit keinen Schutz zu haben." Dann könnten Produkte, die etwa auf Messen ausgestellt werden, von jedem kopiert werden.

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