2003-11-30

--- Im Vorfeld der morgen startenden erneuten China-Reise Schröders erhöht sich die Zahl der China-News in Deutschland. Der Spiegel etwa sprach mit Chinas Außenminister Li Zhaoxing und befragte ihn etwa über die relativ guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Wir begrüßen, dass die Deutschen die führende Rolle der Vereinten Nationen stärken wollen. Solche Gemeinsamkeiten sind der Grund für unsere enge Zusammenarbeit, so die Antwort. Er beklagt sich aber, dass Geschäftsverhandlungen mit den Deutschen besonders schwierig sind. Sowas. Aber neue Großprojekte wie die Olympiade 2008 oder die Expo in Schanghai stehen an, sodass Li deutschen Unternehmern durchaus Hoffnung auf Aufträge macht. Zur Haltung gegenüber Taiwan nicht viel Neues: Es geht um eine ganz einfache Tatsache: Auf der Welt gibt es nur ein China, und Taiwan ist ein Teil davon. Die chinesische Zentralregierung versucht alles, die Taiwan-Frage nach dem Prinzip "ein Land - zwei Systeme" friedlich zu lösen, und dabei bleibt es.

2003-11-29

--- Erst hieß es: Go west! in China, also rein in die eher ländlichen Gebiete des großen Reichs. Doch jetzt sagte der Chef der hauseigenen Denkfabrik des Staatsrates, Wang Mengkui, der Financial Times: "Ein Land, wo ein so großer Teil der Bevölkerung in entlegenen Regionen auf dem Land lebt, kann keine moderne und entwickelte Nation werden". Also plant Peking ein neues, riesiges Umsiedlungsprogramm: bis zu 500 Millionen Menschen sollen bis zum Jahr 2020 von ländlichen Regionen in die Städte des Landes ziehen. Da wird gar nicht lang gefackelt.

2003-11-28

--- Eher dem lustvollen Leben widmet sich die Süddeutsche Zeitung. Sie berichtet über den ersten Werbespot für Verhütung und Kondome im chinesischen Fernsehen ("Tabu-Bruch"), hinter dem u.a. der deutsche Autor und Regisseur Nikolaus von Wolff steckt.

--- Heute ist China-Tag in der FTD bzw. bei ftd.de. So weiß eine Reuters-Meldung bei FTD Online: Deutsche Firmen klagen über zahlreiche Handelshemmnisse und die hohe Markenpiraterie. Zwei Jahre nach dem Beitritt zur Internationalen Handelsorganisation (WTO) würden in China immer noch Entscheidungen getroffen, die den WTO-Bestimmungen widersprächen, heißt es in einem am Donnerstag vorgestellten Thesenpapier des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (APA).

Im Blatt selbst stellt Thomas Fricke in einer Kolumne die These auf, dass "China nach deutschem Muster boomt", Deutschland also nicht wirklich etwas vom chinesischen Wirtschaftsaufschwung lernen kann. Zum Boom der vergangenen Jahre hat mindestens ebenso stark beigetragen, dass Regierung und Staatsfirmen astronomische Ausgaben tätigen, wie etwa zum Bau des Dreischluchten-Staudamms oder zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2006. Wie viel Geld dafür ausgegeben werde, lasse sich daran ablesen, dass Chinas Staatsdefizit bei drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts liege - trotz des Wirtschaftsbooms, sagt der China-Experte der Deka-Bank, Nicolas Schlotthauer. Nach den Vorgängen dieser Woche möchte man sich lieber nicht ausmalen, was in Deutschland los wäre, wenn der Finanzminister anfinge, China zu kopieren und ein paar solcher Staudämme in den Haushalt einzubringen. Wenig geholfen wäre den Deutschen auch mit dem Versuch, das nachzumachen, was laut Schlotthauer zur zweiten Säule des jüngsten Wunders geworden ist: ein Exportboom, der in Ursprung und Ausmaß eher eine Kopie früherer deutscher Rezepte ist. Ähnlich wie die Deutsche Mark in den wundersamen 50er und 60er Jahren ist Chinas Yuan seit mehr als fünf Jahren zu einem festen Kurs an den Dollar gebunden. Das bringt hohe Planungssicherheit. Zugleich bleibt in China wie einst in Deutschland die inländische Preisentwicklung drastisch hinter der Teuerung bei der ausländischen Konkurrenz zurück.

Fazit: Es ist unsinnig, mit leidvollem Neid auf Länder zu blicken, die eifrig ihren Rückstand abbauen, wie es die Deutschen einst auch gemacht haben. Sinnvoller wäre es, die Energie etwa darauf zu setzen, die erste alternde Gesellschaft aufzubauen, deren Wohlstand trotz unweigerlicher Trägheit wächst - indem sie Spitzenreiter im Bedienen träger Bedürfnisse wird, die besten Angebote für Senioren entwickelt und vormacht, wie man ohne Jugendkult hocheffiziente Unternehmen führt.

--- Kurz bevor sich der Beitritt Chinas zur WTO zum zweiten Mal jährt, bringt die Welt (leider nur noch nach Registrierung zugänglich) einen Abriss zum Stand der Marktöffnung. Wirklich Neues gibt es für regelmäßige China-Blog-Leser aber nicht. Schon interessanter da der Ausblick der "Welt" auf des Kanzlers Reise in die chinesische Provinz, denn Schröder will nächste Woche auch in Chengdu haltmachen. Und noch mehr News hat die "Welt" aus China: Die KP will der "Bild" Konkurrenz machen. Beim Start vor zwei Wochen waren viele Pekinesen zwar skeptisch und vom verhältnismäßig hohen Preis abgeschreckt. Doch inzwischen hat die "Neue Pekinger Zeitung" die Hauptstadt erobert: mit Boulevardgeschichten über Schönheitsköniginnen, kritischen Storys über die fragwürdige Behandlung von SARS-Patienten und hohe Schadenersatzforderungen. Chinas Presse: im Umbruch.

2003-11-26

--- Reuters hat Neues über den Handelsstreit zwischen China und den USA: Die USA verschärfen ihr Vorgehen gegen chinesische Waren, die zu Dumping-Preisen auf den US-Markt kommen. Nach den Importquoten für Textilien haben die USA nun auch vorläufige Zölle auf chinesische TV-Geräte angekündigt.

--- Einen kritischen Bericht über den Boom in Schanghai und seine Gewinner und Verlierer bringt Kai Strittmatter in der Süddeutschen Zeitung. Konkret geht es um Korruption, falsche Versprechungen und Abzocke im Baubereich bei der Umgestaltung des Östlichen-Acht-Stücke-Viertels, einem Prestige-Projekt der Millionenstadt. Eigentlich sollte es hier längst viel schöner aussehen, so wie es dieser Stadt geziemt. China erfindet sich neu, Schanghai stürmt voran, so hätten sie das gern: von staunenden Besuchern als „Stadt der Zukunft“ (der Spiegel tat ihnen den Gefallen) gelobt werden. Ein innerstädtisches Villen-Ensemble war geplant, ein Kühle verschaffender See in der Mitte, angemessene Residenzen für die Vorreiter des neuen China. So schön hätte das sein können. Wäre nicht der Bauherr abhanden gekommen, über Nacht. Das war nicht irgendeiner, nein: Das war der reichste Mann der Stadt. Der korrupteste dazu, wie sich einige zu sagen trauen, jetzt, da er in Arrest sitzt, der Herr Zhou Zhengyi. Aber tausend Fragen sind noch offen. Wo hatte er seine Millionen her, der Habenichts, der mit einem Male Immobilientycoon war? Wen ließ er diskret teilhaben an seinem Glück? Und wie viele revanchierten sich für seinen Großmut, ebenso diskret, versteht sich? Darüber herrscht Schweigen, in Schanghai und in Peking.

2003-11-25

--- Wie weit es mit der Achtung der Meinungsfreiheit in China wirklich her ist, soll der Fall der seit einem Jahr inhaftierten Studentin Liu Di klären. Die Entscheidung werde "der Prüfstein, in welche Richtung der politische Wind in Peking weht", meint Frank Lu vom Informationszentrum für Demokratie und Menschenrechte in Hongkong. Es sei unklar, ob die Polizei neue Beweise gefunden habe, doch sollte in dem vergangenen Jahr eigentlich schon ausreichend ermittelt worden sein. Daher gehe das Zentrum davon aus, dass es keine neue Beweislage gebe. Doch könne die Staatsanwaltschaft den Fall diesmal nicht mehr zurückweisen, sondern müsse über eine Anklage entscheiden.

2003-11-23

--- Widersprüchliche Meldungen aus der chinesischen Computerwelt: "China boykottiert Windows", titelt Spiegel Online. Die Pekinger Regierung habe beim Microsoft-Konkurrenten Sun Microsystems 500.000 Lizenzen für eine Linux-Desktop-Lösung gekauft und Linux schließe sich schließlich aus mit Windows. Gleichzeitig kann aber auch Microsoft-Chef Steve Ballmer auf einen Erfolg in der abtrünnigen Republik China verweisen: er konnte einen Kooperationsvertrag mit der staatlichen Software-Firma China National Computer Software & Technology Service Corporation (CS&S) unterzeichnen. Die beiden Unternehmen wollen gemeinsam Produkte auf der Basis von Microsoft .NET und Office entwickeln, also die Chinesen fit machen für die mythenumrankte Welt der "Webservices".

--- Dank dem Internet ist die Informationsfreiheit schon deutlich gewachsen in China, hat Guo Liang, stellvertretender Leiter des Research Center for Social Development an der Chinese Academy of Social Sciences, einem der Regierung nahestehenden Think Tank in Peking, herausgefunden. Die staatliche Zensur werde durch das Netz weitgehend unterlaufen:

"You cannot control Internet. That is my basic theory," said Guo, who recently completed a survey on Internet use in 12 smaller Chinese cities. "People can receive all sorts of information. The filters cannot scan a graphic." As an example, he cites communications by Falun Gong, the spiritual movement banned by the Chinese government as an "evil cult." "I still receive once a week some message from Falun Gong," Guo said. "It has Chinese characters but is like a photo. How can you filter that? No way."

2003-11-22

--- China entdeckt den Luxus und Bulgari, weiß die Welt (deren Texte gibts online leider nur noch nach Registrierung). Der weltweite Run auf den neuen Luxusmarkt ist in vollem Gange. Nach Ferrari, Porsche und Rolls Royce, die Showrooms in Peking unterhalten, investieren die Großen der Parfümwelt und der Accessoires in ihre zweite Ausbaurunde. Armani expandiert, Gucci will 2004 vier Shops öffnen, Louis Vuitton plant offenbar zwei bis drei Neueröffnungen. Auf jährlich drei Mrd. Dollar Nachfrage veranschlagen Schätzungen Chinas Luxuskonsum. Tendenz: rasch steigend.

--- Berlin will verstärkt auf den China-Express aufspringen, aber besonders rosig sind die Aussichten bisher nicht: Gemeinsame Projekte Berlins mit chinesischen Städten haben erste Bindungen geschaffen. Ein Beispiel dafür ist die Berlinwasser International, die in Xian ein großes Wasserwerk gebaut hat. Ein anderes ist das Projekt des Konsortiums Transrapid International mit Sitz in Berlin, das derzeit die erste kommerziell genutzte Magnetschwebebahn in Schanghai errichtet. Bombardier Transportation beteiligt sich an U-Bahnprojekten, darunter in Kanton, und die Berliner Jamba AG, ein Anbieter von Handyklingeltönen, gründete ein Joint Venture mit der Hongkonger Chinadotcom. Zhang Changtai, Botschaftsrat der Volksrepublik, reicht das nicht. "Aus dem vorhandenen Potenzial wachsen zu wenige reale Projekte", kritisiert er. "Berlin ist eine Konferenzstadt. Doch chinesische Unternehmer wollen nicht reden, sondern Umsatz machen." Weil sie häufig an der Spree keine Partner fänden, orientierten sie sich nach Hamburg oder München.

2003-11-21

--- Die New York Times findet heute eine Erklärung, warum zwischen Deutschland und China nicht ein vergleichbarer Handelskrieg herrscht wie etwa zwischen den USA und China oder Italien und China. Sie geht der Frage in einem Bericht über die Entscheidung des Chipherstellers AMD nach, eine zweite Fabrik in Dresden -- und nicht etwa in China -- zu bauen. Die Zeitung kommt zu folgenden Einsichten:

The nature of German industry - with its emphasis on highly engineered, capital-intensive products - has made it less vulnerable to a wholesale transfer of factories to China. Indeed, China has been a voracious consumer of German machines, helping to buoy exports. "If you're sitting in Germany, China is not that big a deal," said Daniel Gros, the director of the Center for European Policy Studies in Brussels. "If you're in Italy, which has a textile industry, it is a big deal."

2003-11-20

--- Der Streit um die Handelsbeziehungen zwischen China und den USA wird noch eine Stufe schärfer. In der Auseinandersetzung über die Beschränkung der Textilimporte aus China, über die die NYT gestern berichtete, bestellte das chinesische Außenministerium den amerikanischen Botschafter ein. Die chinesische Regierung sei "schockiert" und bringe ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck, sagte Chinas Vizeaußenminister Zhou Wenzhong. Die Querelen im Textilbereich schwappen derweil auch auf Europa über: Der europäische Handelskommissar Pascal Lamy warnte davor, dass die US-Maßnahmen eine Umleitung der chinesischen Exporte in die Europäische Union zur Folge haben könne. Der europäische Textilhandelsverband Eurocoton unterstützte die US-Quoten. China bedrohe mit seinen Exporten die Existenz der Textilindustrie in der gesamten restlichen Welt, hieß es. Als Reaktion auf die von den USA verhängten Stahlzölle will China zudem künftig auf einige US-Rohstoffimporte Strafzölle verhängen.

2003-11-19

--- Die Handelsbeziehungen zwischen den USA und China werden härter: Die Bush-Regierung will die Importe von Textilien aus dem Reich der Mitte drastisch einschränken, berichtet die New York Times. Dabei beruft sie sich auf eine Klausel aus den Vereinbarungen zum WTO-Beitritt Chinas:

The administration did not contend that Chinese producers had broken any rules. Rather, it invoked protective provisions that China agreed to as a condition for admission to the World Trade Organization in 2001. They allow the United States to limit the growth of Chinese textile imports to 7.5 percent a year if they are deemed "disruptive" to American producers. The categories of goods the administration is seeking to curb have been growing at rates that are well into the double digits. American textile companies say they have been forced to cut 316,000 jobs over the last three years and blame Chinese competition for a large part of that loss.

--- China droht derweil mal wieder dem "Bruderland" Taiwan mit Krieg: Der Vizeminister der für Taiwan zuständigen Staatsratsabteilung in der Volksrepublik China, Wang Zaixi, verbreitete eine ungewöhnlich scharfe Erklärung. Sollte die Regierung in Taipeh die volle staatliche Souveränität anstreben, so werde man die Armee gegen die Insel einsetzen.

2003-11-18

--- Die chinesische Regierung könnte bald als Saubermann beim Umweltschutz im Bereich Autoabgase dastehen. Wie die New York Times weiß, sind in Peking strenge Vorschriften für den Benzinverbrauch von Autos in Arbeit. Sie sollen in zwei Phasen -- 2005 und 2008 -- greifen. Angeblich ist es aber weniger die Sorge um die globale Klimaerwärmung, die den Antrieb zu der Maßnahme gibt, als vielmehr die Angst um nicht zu stillende Ölbedürfnisse: The new standards are intended both to save energy and to force automakers to introduce the latest hybrid engines and other technology in China, in hopes of easing the nation's swiftly rising dependence on oil imports from volatile countries in the Middle East.

2003-11-17

--- "Schwerer Schock für China", titelt Spiegel Online reisserisch. Grund für die Aufregung: "Womöglich" könnte Chinas Bruttoinlandsprodukt im nächsten Jahr "nur" um 7 Prozent statt wie bisher über 8 Prozent wachsen.

2003-11-15

--- Auch die Organisation Reporter ohne Grenzen bemängelt nun in ihrem Bericht "Gefährlich leben im Internet" die Behandlung von Regimekritikern in China. Demnach arbeiten in China 30.000 staatliche Kontrolleure, um "subversiven Äußerungen" in den Chatrooms auf die Spur zu kommen. Herausgestellt wird in dem Report unter anderem der Fall der ansonsten politisch unauffälligen Studentin Liu Di. Die 23-Jährige war am 7. November in Peking verhaftet worden, nachdem sie sich online über die kommunistische Führung lustig gemacht hatte.

2003-11-14

--- Der Economist bringt ein Jahr nach der Übernahme des Parteivorsitzes druch Hu Jintao einen Bericht zur politischen Situation in China. Fazit: A year after Hu Jintao took over as Communist Party leader, there are faint glimmers of reform. But there have been too many false dawns before. Hauptproblem Hus sei, dass er einerseits mehr Demokratie wagen müsse, andererseits aber auch das (Ein-)Parteiensystem zunächst aufrecht erhalten wolle.

--- China als Wunderland für deutsche Autobauer? Spiegel Online warnt in einer ausführlicher Reportage aus Peking, dass die ins Reich der Mitte pilgernden VWs, DaimlerChryslers und BMWs auf einigen Augen blind sind und in der allgemeinen China-Hysterie große Risiken übersehen. Zum einen würden sie sich einen blauen Dunst um die Umwelt scheren, obwohl es erste Kritiker der Entwicklung gibt. "Wenn wir Chinesen alle Auto fahren, wird der Himmel über Peking nie mehr blau sein", sagt Liang Congjie, Chef der chinesischen Umweltschutzorganisation "Friends of nature". Zum anderen würden die chinesischen Autobauer die Vorlagen der westlichen Hersteller fast schon serienmäßig klonen, sodass sie den Markt bald selbst bestimmen könnten: Chinas Autobauer kopieren schon jetzt Design und Technik, und bedienen sich dabei gerne bei ihren amerikanischen oder deutschen Joint-Venture-Partnern. Die Karren sehen aus wie die Mercedes C-Klasse, nur kleiner und drinnen brummt ein Motor von Toyota. Zu haben ist das Plagiat für unter 6000 Euro, ein Bruchteil des Original-Preises.

2003-11-13

--- Nachdem die Serie an harten Urteilen gegen Menschen in China, die im Internet ihrer Meinung freien Lauf lassen, nicht abreisst und gerade erst die 39-jährige Luo Changfu in Chongqing drei Jahre Haft erhielt, äußerte sich nun Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, besorgt. Nach einem Gespräch mit dem Minister im Rechtsamt des Staatsrates der VR China, Cao Kangtai, erklärte sie am Dienstag: Der freie Zugang zum Internet ist ein wichtiger Bestandteil des Rechts auf freie Meinungsäußerung, das respektiert werden sollte. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist genauso wie die Beachtung der anderen universell anerkannten Menschenrechte eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

2003-11-12

--- In Berlin fand mal wieder der deutsch-chinesische Rechtsdialog statt. Zwei Tage lang drehte sich alles um "Rechtsfragen, Politik und globale Nutzungsmöglichkeiten der Informationstechnologie". Die chinesische Seite habe dabei zugesichert, berichtet die SZ, den Fall der Studentin Lui Di zu überprüfen, die sich seit einem Jahr ohne Prozess im Gefängnis befindet. Ihr werde vorgeworfen, sich im Internet über die kommunistische Führung lustig gemacht zu haben. Die chinesische Delegation habe zudem versichert, dass die Internetsuchmaschine Google mittlerweile uneingeschränkt erreichbar sei, und avisiert, dass die Todesstrafe langfristig abgeschafft werden solle. Mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein der Menschrechtsverletzungen im Reich der Mitte dürfte dies angesichts der Meldungen der vergangenen Tage allerdings nicht sein. Zum Sinn und Zweck des Dialogs stellt die SZ daher im "Aktuellen Lexikon" kurz und bündig fest:

Der Name „deutsch-chinesischer Rechtsstaatsdialog“ suggeriert, dass sich hier zwei Rechtsstaaten im Gespräch befinden. Das aber ist nicht der Fall. Die Verhältnisse sind klar: Deutschland ist ein Rechtsstaat, China ist keiner, soll aber einer werden. Dazu will der Dialog aus deutscher Sicht beitragen.

2003-11-11

--- Hat China entgegen offizieller Aussagen doch Probleme mit einer Überhitzung der Wirtschaft und Missmanagement im Finanzwesen? Die junge Welt berichtet zumindest, dass sich in Chinas Finanzkreisen sich die Sorgen um die Stabilität des Bankensystems mehren. Vor allem die großem Berge sogenannter fauler Kredite, die nicht oder nur verspätet zurückgezahlt werden, bereiten den Ökonomen schlaflose Nächte. Aber sicher noch nicht Gerhard Schröder, der Anfang Dezember mit einem großen Tross an China-hungrigen Unternehmern ins Reich der Mitte reist.

2003-11-10

--- In der Praxis jenseits aller schönen Parteitagsreden weiterhin nichts Neues in punkto Menschenrechte aus China: Das Oberste Volksgericht Pekings hat am Montag die Berufung von vier chinesischen Internet-Aktivisten, die zu acht bis zehn Jahren Haft verurteilt worden waren, zurückgewiesen.

Update: Und schon wieder wird in China ein Netzbürger, der politische Ansichten über E-Mail verschickt und in einem ausländischen Chat-Raum geäußert hatte, vor Gericht gestellt: Drei Monate nach der Festnahme des Finanzbeamten Li Zhi in Dazhou (Provinz Sichuan) reichte der Staatsanwalt am Dienstag die Anklage bei Gericht ein, wie das Informationszentrum für Demokratie und Menschenrechte aus Hongkong berichtete. Der Vorwurf laute "Untergrabung der Staatsgewalt". Dafür wird meist eine mehrjährige Haftstrafe verhängt.

2003-11-08

--- In mehr als 30000 Aufnahmen hat Li Zhensheng die Kulturrevolution in der nordmandschurischen Provinz Heilongjiang dokumentiert. Die Zeit bringt einen langen Bericht über den Fotoband, der nun aus der Bildersammlung entstanden ist. Sie fragt: Wie sensationell ist das hier gezeigte Material? Die Antwort hängt von den Erwartungen ab. Wer wenig von der Kulturrevolution weiß, dürfte mit Bestürzung reagieren. Die „große proletarische“ Kulturrevolution war eine Revolution gegen die Kultur. In der früheren zaristischen Kolonialstadt Harbin im Nordosten Chinas, wo Li Zhensheng sie fotografierte, begann sie im August 1966, als ein jugendlicher Mob die russisch-orthodoxe Holzkirche des Heiligen Nikolaus niederriss und einen buddhistischen Tempel zerstörte. Übrig blieben gedemütigte Mönche, entweihte Statuen, die Asche heiliger Schriften. Das Buch breche aber keine Tabus und beschuldigt keine Lebenden. Es veranschaulicht die Normalität im China der späten Mao-Jahre. Fast jeder Städter dürfte Zeuge des hier Dargestellten gewesen sein.

--- Immer mehr chinesische Auswanderer kehren in ihr Mutterland zurück, weiß der Economist. Allein in Peking hätten die Re-Patriates schon über 3000 Firmen gegründet. Präsident Hu Jintao freut sich über die neuen, tüchtigen Wissensarbeiter und "human resources": Today's rapidly growing China is drawing on the talents of its foreign-educated and western-trained elite more than ever to “realise the great rejuvenation of our nation”, as Mr Hu put it. Many of those returning see China as a land of boundless opportunity.

--- Der Transrapid in Schanghai ist jetzt full on speed, erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 471 km/h. Die Welt berichtet: Einer Übergabe des von dem deutschen Konsortium Thyssen-Krupp und Siemens gebauten Transrapid zum Ende dieses Jahres an China steht jetzt nichts mehr im Wege. ... Damit wird zu Anfang nächsten Jahres Shanghai als weltweit erste Stadt die 31 Kilometer lange Magnetschwebebahn kommerziell in Betrieb nehmen können. Ob's Siemens und Thyssen-Krupp etwas bringt in Sachen weiterer Strecken? Der Stahlkonzern darf jedenfalls erst mal froh sein, Konventionalstrafen vermieden zu haben. Denn im Frühjahr hatte es an den Kabelaufwicklungen in den Schienen ganz schön gekokelt.

2003-11-06

--- Acht Jahre muss der Bürgerrechtler He Depu hinter Gitter . Ein Volksgericht in Peking sprach den 47-Jährigen der "Untergrabung der Staatsgewalt" schuldig. Zu seinen "Vergehen" gehören Briefe im Internet, u.a. an US-Präsident Bush, mit dem Aufruf, sich für Menschenrechte in China einzusetzen.

--- China öffnet sich weiter für Importe und will dazu eine gesondere Fachmesse in Guangzhou im Perlflussdelta im nächsten Frühjahr veranstalten. Die FTD sieht in dem Vorhaben eine wichtige Umstellung der Handelspolitik:

Die Regierung in Peking ist offenbar der Meinung, dass China keine Leistungsbilanzsicherheit mehr nötig hat. Somit ist sie bereit, von der Politik der "tausend Strategien und hundert Pläne" abzurücken, mit der während der Asienkrise die Exporte angetrieben werden sollten. Im Gegensatz zu damals verfügt China inzwischen über Devisenreserven in Höhe von 401 Mrd. $. Das Reich der Mitte sei mit dem Schritt "seinem Ziel, eine Handelssupermacht zu werden, ein großes Stück näher gekommen."

2003-11-05

--- China setzt verstärkt auf das frei verfügbare Betriebssystem Linux und will darum herum seine Softwareindustrie aufbauen. Das wird Bill Gates nicht gefallen, da Microsofts Betriebssystem Windows dadurch noch mehr Konkurrenz durch Linux erhält. Immerhin wächst Chinas IT-Markt um 20 Prozent pro Jahr; Softwareverkäufe allein sollen in 2005 3,5 Mrd. US-Dollar ausmachen.

2003-11-04

--- Das Handelsblatt hat es jetzt auch erkannt: "Deutsche Konzerne gehen in China in die Offensive", heisst es heute auf dem Titel (Artikel leider nicht online). Entsprechend hypig ist das Ding geschrieben:

Nach Industrieunternehmen wie Siemens oder Daimler- Chrysler verstärken nun etwa der Einzelhandelsriese Metro oder die Deutsche Post ihr Engagement. Das Land entwickelt sich nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zum „absoluten Renner“ für deutsche Unternehmen. Mittlerweile ziehen fast alle Branchen mit. „Das Interesse der Dienstleister ist neu“, sagte Detlef Böhle, Asien-Experte des DIHK. Banken, Handels- und Logistikunternehmen nutzten die Möglichkeit, die sich durch Chinas Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO ergeben hätte. Hm, so neu ist das aber doch alles gar nicht? Haben da ein paar Leute gepennt beim Handelsblatt oder erst jetzt mal die China seit Jahren hypende und zum selben Verlag gehörende WiWo in die Hand bekommen?

--- TCL -- in Deutschland vor allem bekannt durch den Aufkauf der sterblichen Hüllen von Schneider -- holt zum nächsten Schlag aus: in einem in Hong Kong niedergelassenen Joint-Venture mit der französichen Thomson-Gruppe will der chinesische Konzern eine führende Rolle auf dem globalen Markt für TV-Geräte spielen:

"Wir werden mit Sony und Philips bei der Produktion von TV-Geräten und DVD-Playern ungefähr gleichziehen", sagte Thomson-Finanzchef Julian Waldron. Könnte gelingen, wenn man bedenkt, dass China allein schon der größte Markt und Produzent von Fernsehern ist. In den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres wurden nach Angaben des chinesischen Informationsministeriums im Inland 20 Mio. Geräte verkauft und 11,4 Mio. exportiert.

2003-11-03

--- Metro will brav weiter in China investieren und seinen "Frischehandel" mit lebendem Getier auf weitere Teile des Reichs der Mitte ausdehnen. Bisher war der Großhandelskonzern auf das Jangtse-Delta beschränkt. Das 600-Mio.-Euro-Projekt hätte Metro-Chef Hans-Joachim Körber ja aber auch gleich auf der jüngsten Berliner China-Konferenz verkünden können, dann wäre es da noch etwas spannender geworden.

--- Berlin lernt Chinesisch:

Von heute an wird die Sprache aus dem Reich der Mitte als offizielles Wahlpflichtfach an drei Berliner Gymnasien unterrichtet: der Tegeler Humboldt-Oberschule, der Reinickendorfer Bertha-von-Suttner-Oberschule und dem Wittenauer Romain-Rolland-Gymnasium. Weitere Schulen in Mitte sollen hinzukommen. "China boomt wirtschaftlich und ist für unsere Schüler eine große kulturelle Bereicherung", begründet Hinrich Lühmann, Leiter des Humboldtgymnasiums, die neue Initiative. Die Senatsschulverwaltung überlegt zudem, Chinesisch generell als dritte Fremdsprache einzuführen.

2003-11-02

--- Die Welt am Sonntag nimmt aktuelle TV- und Kinofilme wie Jackie Chans Prügel-Lustpiel "Shang-High Noon", Quentin Tarantinos blutrünstiges Epos "Kill Bill" oder "Drei Engel für Charlie" zum Anlass, um über einen neuen "China-Chic" in den globalen Traumfabriken zu sinnieren. Gehuldigt werde vor allem den "den Flug- und Kampfkünsten aus dem Fernen Osten." Dass es in den Movies etwas ideologisch zugeht, ist dem WAMS-Autor aber nicht ganz entgangen:

China liefert die Akrobatik und die Folklore, um sich der Ideologie der Weltmacht dankbar zu ergeben. Denn Amerika ist hier das Land der lustigen Trottel und der Freiheit, während China das Land der verklemmten Trottel und der Ketten ist. Keine Frage, dass der Palastgardist und die Prinzessin am Ende lieber in Amerika bleiben.

2003-11-01

--- Die Hamburger Unternehmensberatung Skillnet hat ihre Studie "TIMES in China" in der 2004-Version herausgegeben. Es geht um eine Abschätzung der fernöstlichen Märkte für die Bereiche Telekommunikation, Informationstechnik, Medien, E-Business und Services. Aber beachten vor dem Klick: war die 2002-Variante noch knapp 6 MB schwer, bringt das Update schon fast 8 MB auf die Waage. Motto der Untersuchung nach wie vor: China is a sleeping giant.