2007-02-27

Börseneinbruch in Shanghai

Nur ein kurzes Absacken oder Anzeichen des Platzens einer größeren Blase?:
Chinesische Aktien haben heute ihren größten Einbruch seit zehn Jahren erlebt. In Shanghai verlor der wichtigste Aktienindex knapp neun Prozent, nachdem Profianleger wie Fonds und Versicherungen in großem Stil Gewinne mitgenommen hatten. Der Shanghai Composite Index fiel um 8,84 Prozent auf 2771,79 Punkte. Gestern hatte die Börse zum ersten Mal über 3000 Zählern geschlossen. Heute schloss sie früher als üblich. ... Mehr als 800 Unternehmen verloren massiv an Wert. Besonders hart traf es Banken-, Stahl- und Autoaktien. Auch Aktien chinesischer Fluggesellschaften verloren wegen gestiegener Rohölpreise stark. Papiere der Air China ließen um 9,95 Prozent nach, China Eastern Airlines verlor sogar 10 Prozent. In den vergangenen zwölf Monaten legte der Index um mehr als 130 Prozent zu. Die Börse in Shanghai erlebte einen regelrechten Boom: 2006 gab es 137 Neuemissionen, die den Unternehmen insgesamt 50 Milliarden Dollar einbrachten. Aktien des Versicherers China Life schnellten sogar innerhalb eines Tages um 100 Prozent in die Höhe. Die Finanzaufsicht hatte mehrfach vor einer Spekulationsblase gewarnt. "Die Investoren machen Kasse, weil sie fürchten, dass der Markt nun stark schwanken könnte", sagte Analyst Zhang Yidong von Industrial Securities. Peng Yunliang von Shanghai Securities nannte das Erreichen der 3000-Punkte-Marke als Grund für die heutigen Verluste. "Die Menschen sehen das als psychologische Marke. Es ist verständlich, dass sie nun ihr Geld aus dem Markt ziehen, nachdem diese Grenze einmal überschritten wurde." Manche Experten glauben, dass die Kurse weiter fallen werden; realistisch sei eine Kurskorrektur um insgesamt 20 Prozent. Bereits am 1. Februar waren die Börsen in Shanghai und in Shenzhen um sechs Prozent eingebrochen. Einige Analysten rechneten jedoch nicht mit einer lang anhaltenden Abwärtsphase, zumal das ökonomische Fundament stabil und die Gewinne der Unternehmen weiter vielversprechend seien.

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China will weg von der Massenproduktion

Ein Bericht aus der FTD-Serie zum angestrebten Image-Wandel Chinas beschäftigt sich mit den Bemühungen Pekings, das Land vom Ruf des Billigheimers zu befreien:
Chinas Exportwachstum kannte in den letzten Jahren kein Halten. ... Doch auch in China sind die Zahlen kein Grund mehr zur reinen Freude. Handelsminister Bo Xilai erklärte den "Abbau von Überschüssen" zur handelspolitischen Toppriorität im Jahr 2007. China will mehr importieren, lautet die Botschaft an die Handelspartner ... Die Exportflut zu niedrigen Preisen schadet nicht nur Chinas Image, sondern ist nach Ansicht der Regierung auch ein Zeichen für falsch gesetzte Prioritäten. Arbeitnehmerrechte und der schonende Umgang mit Ressourcen bleiben bei der Massenproduktion auf der Strecke, fürchtet die Führung - aber auch der technologische Fortschritt. Die Kritik aus dem Ausland sei "eine Gelegenheit für China, seinen Handel auf Produkte mit höherer Wertschöpfung umzustellen und die Exportstruktur zu verbessern", sagte Bo. Die Regierung will deshalb die Exportproduktionszonen, aus denen vor allem Massengüter kommen und mit denen das Wirtschaftswunder in den 80er-Jahren begann, austrocknen und die Steueranreize für Investoren auslaufen lassen. Stattdessen fördert sie künftig 18 Hightech-Cluster. Neben der Informationstechnologie gehören Biomedizin, Elektronik und Luftfahrt zu den Zukunftsindustrien Chinas, welche die "Exportinnovationsbasis" erweitern sollen. Mit Erfolg brachte die Regierung eine Reihe internationaler Hersteller dazu, Forschungs- und Entwicklungszentralen in diesen Zonen zu etablieren - trotz des Misstrauens, das viele Unternehmen China beim Schutz des geistigen Eigentums entgegenbringen. Doch das reicht den ehrgeizigen Planern nicht: Inzwischen steckt Peking mehr als 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Forschung. Für ein Schwellenland ein hoher Anteil, der bis 2020 auf 2,5 Prozent steigen soll. Und die etwa eine Million Forscher haben längst mit ihrer Aufholjagd begonnen: Zwar kamen 2006 weniger als drei Prozent der internationalen Patentanmeldungen aus China - doch schätzt die World Intellectual Property Organization den Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr auf rund 57 Prozent.

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2007-02-19

China-Bild: Nix mehr "gelbe Gefahr"

China kämpft einem Bericht der FTD zufolge mit dem eigenen Erfolg und die Probleme des Riesenlands werden inzwischen auch von Pionieren im Westen deutlicher wahrgenommen:
Wenn im Westen derzeit von China die Rede ist, geht es meistens um Ängste - vor aggressiven Wachstumsfeldzügen, gefährlicher Billigkonkurrenz, rücksichtsloser Produktpiraterie oder schlicht vor einem übermächtig werdenden Land, das deutsche Firmen und Arbeitnehmer allmählich in Armut und Bedeutungslosigkeit stürzt. ... Dabei haben die Klischees immer weniger damit zu tun, was sich in China seit Monaten tatsächlich tut, wohin das Land sich entwickelt - und was auch den in zwei Wochen startenden Nationalen Volkskongress stärker denn je prägen wird. ... Klar, die USA haben ein Handelsbilanzdefizit mit der Volksrepublik, das 2006 auf ungekannte Höhen geschnellt ist. Klar, es gibt Billigkonkurrenz für manche Arbeitnehmer im Westen. Doch auch in China begehren Arbeiter auf und wollen höhere Löhne. Was die Regierenden längst veranlasst hat, Mindestlöhne anzuheben oder Rechte von Arbeitnehmern besser zu schützen - was ausgerechnet manchem westlichen Investor gar nicht gefällt (Teil 2). Zum gängigen Klischee passt das ebenso wenig wie die Tatsache, dass Chinas viel gelobte Arbeiterscharen bereits rapide vergreisen, was das Land bald vor ein enormes Demografieproblem stellt (Teil 3). Vor lauter Wachstum kursiert seit Monaten derweil die Sorge, dass im Land viel zu viel investiert werden könnte. Dies lässt fürchten, dass es nicht für alles, was produziert wird, einen Markt gibt. Zugleich fließt das Geld derer ins Land, die auf Wachstum setzen: An Chinas Aktienmärkte herrscht die Angst vor einer Blase (Teil 6). ... Präsident Hu Jintao und Ministerpräsident Wen Jiabao fassen all diese Bemühungen unter dem Schlagwort "harmonische Gesellschaft" zusammen. Auch wenn der Weg dahin noch weit scheint und nicht ganz klar ist, was das in der Praxis genau bedeutet: Mit Stereotypen von Chinas Gefahr ist das neue China kaum zu begreifen.
Da kann man ja gespannt sein auf die angekündigte Serie.

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